vom missbrauch lösen

hier sind einige schritte, die mir persönlich geholfen haben und die dir vielleicht auch helfen können.

akzeptanz

es gibt allen grund für deinen stolz, denn du hast die misshandlungen in deiner kindheit überstanden. viele betroffene können dies leider nicht erreichen. vielleicht lag es daran, dass sie selbst nicht mit dem trauma leben konnten oder dass der/die täter/in dies nicht erlaubte.

es gibt keinen grund, das vor dir selbst zu verbergen. ein wichtiger erster schritt zur heilung ist, dir einzugestehen, dass der missbrauch tatsächlich passiert ist und dass er dich verletzt hat. der erste schritt zur heilung ist, anzunehmen, dass es wirklich geschehen ist. das ist oft der schwierigste, aber auch der wichtigste schritt. warum fällt uns dieser schritt so schwer?

wir können uns nicht mehr bewusst an den missbrauch erinnern!

das vergessen stellt für kinder, jugendliche sowie erwachsene eine der häufigsten reaktionen auf missbrauch dar. selbst wenn keine erinnerungen vorhanden sind, existiert stets ein innerer teil des individuums, der die wahrheit kennt. sollten in deinem emotionalen und erlebten kontext hinweise darauf bestehen, dass du missbräuchlichen handlungen ausgesetzt warst, beginne damit, deinen eigenen wahrnehmungen vertrauen zu schenken.

missbrauch – fehlende erinnerung

bis zu meinem dreißigsten lebensjahr war es mir nicht möglich, mich an einen sexuellen missbrauch aus meiner kindheit zu erinnern. dennoch war mein leben von einer tiefen traurigkeit geprägt. wiederkehrende muster in zwischenmenschlichen beziehungen sowie mein eigenes verhältnis zu meinem körper, körperlicher nähe und sexualität ließen mich schließlich erkennen, dass etwas mit mir nicht stimmte.

die erkenntnis über meine eigene betroffenheit stellte sich erst während meines aufenthalts in einer psychosomatischen klinik ein. aufgrund von flashbacks und einem gefühl der erstarrung während sexueller aktivitäten sowie körperlicher berührungen konnte ich diese tatsache schließlich nicht mehr ignorieren: ich musste akzeptieren, dass ich als kind und jugendlicher sexuell missbraucht sowie körperlich misshandelt wurde.

das soziale umfeld

in meinem sozialen umfeld wurde begonnen, die erlebten ereignisse zu verharmlosen. man riet mir dazu, mich nicht so anzustellen und argumentierte zudem damit, dass es unangebracht sei über meine kindheit zu klagen – schließlich hätte ich stets alles erhalten, was mein herz begehrte.

doch hierbei wird ignoriert, welche belastungen ich ertragen musste. ich kenne mehrere betroffene; sie erinnern sich zwar an missbrauch oder gewalt erfahrene schicksale jedoch begannen sie unter äußerem druck diese erlebnisse zu bagatellisieren.

nach dem konfrontieren meiner familie – insbesondere meiner mutter – mit diesen erfahrungen und der darauffolgenden reaktion gemäß der vorherigen beschreibung sahen wir uns gezwungen den kontakt abzubrechen; dieser ist bis zum heutigen tag nicht wiederhergestellt worden.

vielleicht waren deine erfahrungen ähnlich. du vergleichst deine erfahrungen mit denen anderer und kommst zu dem schluss, dass es für dich ja so schlimm nicht gewesen sein kann. es gibt andere, die es deutlich schlimmer haben. es könnte sein, dass du auch die tendenz hast, dir selbst die schuld für das geschehene zu geben und sätze wie diesen zu denken:

  • es tat mir nicht weh
  • er hat mich nur angefasst, aber so richtig vergewaltigt hat er mich ja nicht
  • warum habe ich mich denn auch auf den schoss gesetzt
  • so schlimm ist es nicht, ich lebe ja noch

es ist für betroffene entscheidend, zu verstehen, dass du als kind oder in welchem alter auch immer niemals die schuld daran trägst, wenn ein anderer, sei es ein älteres kind oder ein erwachsener, irgendwelche sexuellen handlungen an dir oder in deiner gegenwart vorgenommen hat.

die verantwortung für die handlungen liegt ausschließlich bei der person, die sie ausgeführt hat.

wir leugnen den missbrauch

hat man den missbrauch über einen langen zeitraum hinweg verdrängt, ist es normal, gelegentlich an seinen erfahrungen und erinnerungen zu zweifeln. der seelische und oft auch der körperliche schmerz, den wir mit der akzeptanz der ereignisse verbinden, scheint uns zu groß. dies gilt besonders dann, wenn der oder die täter:in ein familienmitglied ist oder jemand, der uns auf andere weise nahesteht.

es ist normal, dass man gelegentlich zweifel hat, weil die erinnerungen schmerzhaft sind. das bedeutet jedoch nicht, dass kein missbrauch stattgefunden hat.

wir fürchten die konsequenzen der akzeptanz

die furcht, den oder die beschuldigt/e fälschlicherweise zu belangen, bewirkt immer wieder verwirrungen. einige empfinden sogar scham dafür, darüber nachzudenken, und versuchen weiterhin, den oder die täter:in zu schützen.

häufig hat man auch die befürchtung, dass der kontakt zu dieser person darunter leiden könnte. aber ist diese person den kontakt überhaupt noch wert?

hierbei handelt es sich um einen überlebensmechanismus, der sehr gut funktioniert:

er schützt den oder die täter*in und erhält so die illusion einer harmonischen gemeinschaft. auf kurze sicht betrachtet ist es leichter, die realität nicht zu akzeptieren oder nicht einmal auszusprechen.

  • das schweigen brechen

um sich vom missbrauch zu lösen, ist es wichtig, das schweigen zu brechen. missbrauch an kindern, jugendlichen und erwachsenen sowie die damit einhergehenden schamgefühle florieren stets in einer atmosphäre des schweigens.

es kann nur ungesehen bleiben, wenn alle beteiligten wegschauen.

hast du es schon einmal probiert oder versucht, jemandem anders alles zu erklären?

es ist möglich, dass du dich sogar jemandem anvertraut hast und dieser person von dem missbrauch berichtet hast. wahrscheinlich hast du dann keine beachtung gefunden oder bist nicht als ernst zu nehmend wahrgenommen worden.

solches kann schließlich überall geschehen, aber gewiss nicht in unserer familie, unserem dorf oder unserer stadt.

wenn du eine ähnliche erfahrung gemacht hast, hast du irgendwann zu verinnerlichen begonnen, dass das, was man dir angetan hat, so schlimm sein muss, dass man es niemandem erzählen sollte. zahlreiche menschen ziehen daraus den schluss, dass man selbst schlimm oder böse ist. daher hat man sich daran gewöhnt, lieber zu schweigen.

auch nach vielen jahren glauben viele weiterhin, dass es ihnen schadet, die wahrheit auszusprechen. sie haben sich arrangiert mit ihren gefühlen von scham und einsamkeit, was zu einer bewussten oder unbewussten entscheidung für das schweigen geführt hat.

wage einen neuen versuch!

vertraue dich einer person an, die du respektierst und wertschätzt, die aber auch dich respektiert und wertschätzt. bei dieser person fühlst du dich sicher und sie hat dir möglicherweise schon öfter zugehört.

das können nicht nur therapeuten oder vertrauenslehrer, sondern auch die nette nachbarin von nebenan, die du schon lange kennst, übernehmen. in diesem moment muss es genau diese person für dich sein.

falls du jedoch keine person hast, der du dich anvertrauen kannst oder willst, dann suche dir unterstützung von außen. dies kann in selbsthilfegruppen, bei der telefonseelsorge, beim lokalen jugendamt oder anderen beratungsstellen erfolgen. dort wird man dir zuhören, dir glauben schenken und dir helfen, aus deiner aktuellen situation herauszukommen.

es gibt auch betroffene, für die das noch schwierig sein kann. falls du zu diesen personen gehörst, dann halte deine erfahrungen wenigstens schriftlich fest oder schreibe tagebuch. es wird schmerzhaft sein, die taten niederzuschreiben, da es deine bisherige welt ins wanken bringt, die du zur eigenen überlebenssicherung kreieren musstest.

ich kann aus meiner erfahrung heraus sagen, dass es sich lohnt, auch wenn es schmerzhaft ist und einen immer wieder an diese furchtbaren augenblicke zurückführt. doch das ende deines überlebens markiert den beginn deines echten lebens. du wirst zeit und dich selbst aus neuen perspektiven erleben.

wir werden zum vorbild für andere betroffene und tragen zur beendigung des missbrauchs an wehrlosen menschen bei, indem wir das schweigen brechen.

distanz zu den tätern

wenn du glaubst, deinen eigenen missbrauch aufarbeiten zu können, während du weiterhin kontakt zu den tätern hast, ist dies wahrscheinlich eine vermeidungsstrategie, die auch dein mitgefühl für dich selbst untergräbt.

es ist wichtig, dass du dir klar machst, dass in dir noch immer dieses kleine kind lebt, das dem missbrauch schutzlos ausgeliefert war. für deine heilung wollen die gefühle des inneren kindes gefühlt und integriert werden. damit dieser kindliche anteil in dir sich zeigt, muss er sich absolut sicher fühlen – und es liegt an dir, dafür zu sorgen!

nur wenn du für dich selbst und deine erfahrungen mit missbrauch mitgefühl entwickelst, kann sich auch deine unterdrückte wut auf die täter äußern. es handelt sich um einen notwendigen und heilenden schritt, und es gibt keinen anlass für scham oder schuldgefühle. heute bist du erwachsen und trägst selbst die verantwortung für dein leben. es obliegt dir, alles erforderliche zu tun, um gesund zu werden und den missbrauch aus deiner kindheit zu verarbeiten.

es ist nur dann sinnvoll, während des heilungsprozesses kontakt zu den tätern aufzunehmen, wenn sie dir glauben wollen, die taten einräumen und reue zeigen sowie eine therapie in anspruch nehmen. wie realistisch ist es jedoch, dass dieser fall eintritt, wenn du die täter mit deiner erfahrung konfrontierst?

die wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie dich weiterhin nicht ernst nehmen und die taten abstreiten oder herunterspielen. mit sätzen wie „lass die vergangenheit doch endlich mal ruhen“, wollen sie weitere konfrontationen vermeiden. in einem umfeld, dass die wahrheit verleugnet, kannst du nicht heilen. also lass dich davon bitte nicht unterkriegen!

suche den kontakt zu menschen, die dich ernst nehmen, an dich glauben und dich dabei unterstützen, deine traumatisierungen zu verarbeiten. und scheue dich nicht, nach therapeutischer unterstützung zu suchen.

insbesondere wenn es sich bei den tätern und mittätern um familienangehörige handelt, ist die vorstellung eines kontaktabbruchs von großen ängsten und zweifeln geprägt. es ist wichtig, dass du verstehst, dass in familien mit traumatischem hintergrund häufig starke verstrickungen bestehen.

finde dein wofür

der prozess der ganzwerdung nach sexuellem missbrauch in der kindheit ist langwierig und schmerzhaft. aber es ist lohnenswert, ihn zu betreten, denn mit jedem neuen schritt entwickelst du mehr stärke und zuversicht.

ein neues leben wartet auf dich, hinter den traumagefühlen. es ist das leben, das dir schon immer zustand! du kannst dir selbst dieses leben jetzt schenken!

ein wofür hilft dir, auf kurs zu bleiben und bei herausforderungen nicht aufzugeben! finde einen grund, der dich daran erinnert, warum du das alles tust. finde deine individuellen kraftquellen und nutze sie so häufig wie möglich. versuche, an etwas zu glauben, das größer ist als du. finde heraus, was es wert ist, zu leben. und dann leg los!

heilung sexueller missbrauch

zunächst war es bei mir eine innere stimme, die mir immer wieder ins ohr geflüstert hat, dass all das einen sinn haben müsse. insgeheim war mir bewusst, dass mein dasein auf dieser welt einen grund hat – und ich wollte dessen ursache auf den grund gehen.

nachdem ich die schritte eins bis drei umgesetzt hatte, entwickelte sich bei mir der wunsch, anderen menschen zu helfen, die ähnliches erlebt haben. so wurde mir meine berufung klar: das schreiben, das ich schon als kind liebte. dieses wofür motiviert mich. es gibt mir energie und hält mich motiviert.

hast du keine idee für dein wofür? dann mach dich auf die suche! hast du vielleicht auch schon immer einer sache mit viel freude nachgeforscht? hast du in deinem leben etwas, das dir kraft und zuversicht gibt? hast du eventuell kinder, deren wohlergehen zu deinem wofür werden kann? ein kind kann sich wohl kaum etwas wertvolleres wünschen als eltern, die sich mutig der heilung zuwenden!

ein wofür hast du mit sicherheit schon jetzt:

für dich selbst ein freies und erfülltes leben gestalten! ♥

diese vier schritte bieten auch dir die chance, deine heilung nach sexuellem missbrauch zu beeinflussen. bitte gehe sehr vorsichtig und in deinem eigenen tempo, schritt für schritt. erinnere dich immer wieder bewusst daran, dass du das schlimmste, den missbrauch selbst, bereits überstanden hast.

erinnere dich daran, dass diese furchtbaren erlebnisse dich auch gestärkt haben. wenn du dir deiner stärken (noch) nicht bewusst bist, könnten die übung für ein höheres selbstwertgefühl auf meiner für dich-seite oder die übung aus dem artikel missbrauch und trauma als chance hilfreich sein.

Ein symbolisches Icon in Schwarz-Weiß, das Befreiung von Trauma darstellt. Eine Silhouette einer angespannten Person wird von einer zerspringenden Kette befreit, die ein Vorhängeschloss einschloss. Die brechenden Kettenglieder und die Funken symbolisieren die Loslösung von Fesseln und emotionaler Gebundenheit. Unter dem Geschehen halten zwei Hände die Szene unterstützend. Das Bild steht für den Prozess des Sich-Lösens von den Folgen von Missbrauch oder Trauma.